Beobachtungen bei der Farbgestaltung

  • Ich hoffe das meine Beobachtungen, die ich vor allem in der gesamten Bauzeit des W201 gemacht habe, nicht langweilen.

    Da ich von 1974-2015 in einer großen Mercedesvertretung gearbeitet habe, und somit auch die gesamte Bauzeit des W201 miterleben konnte, ist mir noch sehr in Erinnerung, welche Außenfarben, von welchen Leuten bei einem Neuwagen bestellt wurden.

    Meine Aufgaben bestanden zu der Zeit aus der Annahme von Neufahrzeugen, Zulassungen und zum Teil auch aus Auslieferungen.


    Bis zum Erscheinen des W201 gab es ja vom Konzern eher weniger sportliche, als gediegene Modelle, die eine Käuferschicht ansprach, welche mehr ab den gesetzteren Alter die Kunden waren.


    Als der Baby-Benz - wie man ihn damals nannte, auch eine etwas sportlichere Note bekam, und auch der Preis etwas unter dem üblichen Niveau der anderen Modelle war, wurde der Altersdurchschnitt der Neuwagen Käufer doch erheblich jünger.

    Ich erinnere mich das jetzt schon Kunden mit knapp 30 Jahren sich einen Mercedes Kauften, also den W201. Aber auch ältere Herrschaften, die finanziell nicht so üppich ausgestattet waren "gönnten" sich "auch mal einen Mercedes"! Oft hörte man von den Älteren " das ist jetzt das letzte Auto was ich mir zulegen möchte".


    Aber jetzt zu meinen Beobachtungen was die Außenfarben anbelangte.

    Die Vor Mopf Fahrzeuge wurden von den etwas jüngeren Kunden sehr oft in Anthrazit Met. und Silber Met. bestellt. Bei den Älteren Herrschaften wares sehr oft uni weiß, vor allem bei den Diesel - und Vergaser Modellen.

    Alle anderen Met. Farben und auch uni rot usw. spielten eine tatsächlich untergeordnete Rolle, und wenn doch, waren das auch Kunden meist im Rentenalter (erkennt man sicher an den heute oft noch im guten Erhaltungszustand zu bekommenden Modellen).


    Direkt am Anfang der Produktion wurden bei uns sehr viele Fahrzeuge der jüngeren Käufer direkt als Neuwagen tiefer gelegt und mit breiten Alufelgen, meist im Kreuzspeichen Design umgebaut. Die Serienfedern wanderten als Neuteile einfach in den Schrott!

    Auch Spoiler, Seitenschweller und Heckschürzen der diversen Herstellern wurden auf Kundenwunsch verbaut.

    Solche Änderungen wurden im Schnitt mindestens einmal die Woche vorgenommen.


    Mit der Einführung der Mopf-Modelle änderte sich auch das Kaufverhalten.

    Bei den Farben der Jüngeren dominierte dann blau-schwarz Met. und Silber, alle anderen Farben wurden immer seltener - die jeweilige Käuferschicht, was das Alter betrifft,hatte sich aber nicht verändert.

    Karosserie Um- und Anbauten wurden so gut wie nie mehr gefragt und Tieferlegungen auch sehr selten, zumal es ja auch den Sportline im Angebot gab.


    Auffällig für mich war aber auch ein Kurriosum. Das Fahrzeug welches auf dem jeweils ersten Prospekt Titel abgebildet war, wurde anfangs dann beeindruckend oft so bestellt!


    Ganz "schlimm" mit der Farbgestaltung wurde es bei den Folgemodellen.

    Ging man durch unseren Neuwagenkeller, wo ca 70 Fahrzeuge standen, sah man nur alle möglichen schwarz und dunklen Farbtönungen, ein paar silberne - und wenn da mal eine andere Farbe zwischen stand, fiel das sofort auf.

    Weiß war ab dieser Zeit für viele Jahre völlig Out - es wurde sogar gesagt, das weiße Autos "assi" wären !

    Ich konnte auch damals nicht nachvollziehen, das eine Farbe am Auto "assi" sein könnte?!


    In den letzten Jahren hat sich das aber wieder geändert, man sieht wieder richtig viele weiße Fahrzeuge im Starssenverkehr.

    Anscheinend sind Autofarben auch einer bestimmten Moderichtung unterworfen.


    Ein Kurriosum möchte ich noch aus meiner Zeit bei Brüggemann erwähnen.

    Zu meinen Aufgaben gehörte unter Anderem, die Ausstattung der Showräume im Hauptbetrieb und auch in den drei Zweigbetrieben.

    Die Fahrzeuge die dort ausgestellt wurden, waren sogenannte Vorratswagen oder auch Lagerwagen genannt. Das sind Fahrzeuge die vom Werk ohne eine Bestellung vom Kunden gebaut wurden.

    Diese konnte ich dann für die Showräume nutzen.

    Natürlich versuchte ich aus dem Bestand möglichst viele verschiedene Modelle und Farben zu präsentieren.

    Stand nun eine nicht so gefragte Farbe oder Innenausstattung im Schaufenster des Hauptbetriebes, wurde ich nach kurzer Zeit von der Verkaufsleitung gebeten den irgenwoanders hinzustellen, nur nicht hier!


    Irgenwann fiel mir auf, das genau diese Modelle nur in der Zweigstelle Hilden einen Käufer fanden.

    Dort im Laden saß ein Verkäufer, selbst nicht mehr ganz jung aber ein alter Haase.

    Der schaffte es immer wieder solche "ungeliebten" Autos kurzfristig an den Mann oder die Frau bringen.

    Ein Verkaufsgespräch konnte ich einmal mitverfolgen - und da war mir klar, wie der das machte.

    Vor ihm saß ein älteres Ehepaar die ein Auto bestellen wollten. Farbe und Ausstattung wurden schon besprochen, und dann kam die Sprache auf die Lieferzeit.

    Den Kunden konnte man ansehen das sie sich das so nicht vorgestellt hatten - und schon ging die Taktik meines Arbeitskollegen los " wenn sie nicht warten wollen, ich hab hier was ganz besonderes für sie, können sie morgen schon haben .............".!!

    Ich weiß nicht ob seine Kunden im Nachhinein immer glücklich waren, aber er war in der Lage, jede "Standuhr" zu verkaufen - egal mit welcher Farb - und Ausstattungs Kobination!


    Ich offe meine Beobachtungen aus meinem Berufsleben haben euch nicht gelangweilt.


    Günni

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    Moin Günni,


    Quatsch, wieso langweilen? Ich war zur Zeit der ersten Auslieferungen 3, bei den letzten 14 Jahre alt und 0,0 an Autos interessiert. Das kam erst viel später und ich bin froh über solche Zeitzeugengeschichten aus erster Hand.


    Vielen Dank fürs Teilen deiner Erfahrungen und Gedanken! Und immer gerne mehr davon.


    Zum Thema Farben finde ich es auch sehr bedauerlich, dass damals leider wenig Mut gezeigt wurde. Es gab ja so viele tolle Farben, aber die meisten wurden eben in Rentner bunt bestellt. Sehr schade! Wobei viele Autos ja auch als Neuwagen von Mitarbeitern bestellt wurden die diese dann ein Jahr fuhren und teilweise in Wunschausstattung des Zweitbesitzers bestellten der schon bekannt war. Oder sonst eben was gängiges, das man ohne viel Aufwand wieder verkaufen kann.


    Grüße,


    Alexander

  • Hallo Günni,


    interessante Beobachtungen eines Zeitgenossen!


    Ich (Bj. 1966) kann mich auch zu gut an die Ausstellungsräume von MB erinnern, bin ja so oft (mit Fahrrad, Mopped oder mit meinem ersten Auto, einem 1980er Honda Prelude) "vorgefahren", um mir die Nase an den Scheiben (von außen, oder innen an den Mercedes) plattzudrücken...


    Mir fiel damals schon auf: Weiß war out. Die Hassfarbe schlechthin. "Waschmaschinen sind weiß", hieß es.


    Heute, finde ich, ist weiß eine coole Farbe beim Baby-Benz. Wenn gepflegt und poliert, fällst du richtig auf damit, auch wenn heute wieder etwas mehr weiß geordert wird als noch vor fünfzehn oder zwanzig Jahren zur "Silberfisch- und Leasingsilber"-Ära.


    Da bin ich ja ers recht stolz auf meinen "surfblauen" Österreicher.

    Ich behaupte (ohne einen Beleg zu haben), dass mehr bunte Farben nach Österreich gingen... kann mich an viele grüne, rote, blaue oder nelkengrüne 190er der ersten Serie mit AT-Kennzeichen (noch schwarz in der ersten Zeit) erinnern.


    LG Bodo

  • Hallo zusammen,

    melde mich als "Zeitgenosse", der seinen W201 1983 in (classic)weiß -737- neu erworben hat. Die farbenfrohe Zeit der flower-power-Farben war da schon vorbei, aber mit giftgrünen Porsche Targas oder orangefarbenen Käfern und Ford Capris noch auf den Straßen gegenwärtig. Ich schwankte damals zwischen signalrot (mit dem der 190er (ohne rechten Außenspiegel) u.a. beworben wurde und weiß. Klima war mir zu teuer, so dass ich einer sommerlichen Aufheizung der Karosse durch relativ dunklen Lack entgegenwirken wollte. Außerdem misstraute ich der Haltbarkeit der roten Farbpigmente, wie sie z. B. nach kurzer Zeit auf Opel verblassten. Also wurde es weiß. Beigefügt eine Statistik des KBA, der den darauffolgenden Niedergang von weiß dokumentiert. Übrigens war 1987 das erste Jahr, in dem die "unbunten" Farben, also insbesondere schwarz, grau und silber die anderen überholt haben. Das ist wohl mit einer einzigen Ausnahme bis heute so geblieben. Ein weites Feld ..... Noch interessanter und unterhaltsamer dürfte ein Exkurs in die Namensgebung der Farben haben. Vorschlag für ein Dissertationsthema:

    "Die Bezeichnung der Lackfarben durch die Automobilhersteller im Wandel der Zeiten unter besonderer Berücksichtigung der Marke Daimler-Benz" Nettes Beispiel: weißherbstmetallic für den C 111 :D . Erste Metallicfarbe war, ich glaube, beim Ponton erdbeerrotmetallic. Da konnte man sich im Gegensatz zu heute noch was drunter vorstellen. Ihr kennt sicher ähnliche Beispiele!

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  • Kleiner Hinweis: erstes Metallic war silber beim W198, vorher bei dessen Rennsport- und Rallye-Vorläufern, besser bekannt als "Flügeltürer".


    LG Bodo