Pünktlich zum 30jährigen Erscheinungsjahr unseres W201 ist im April das Buch "Mercedes 190" von Gerstl / Schwartz im Geramond-Verlag erschienen. Auf ein solches Buch haben wir lange gewartet und es war auch überfällig. Wie oft in den letzten Jahren wurde ein solches Buch angekündigt, doch den Ankündigungen folgten keine Bücher.
Sofort nach Veröffentlichung des Buches habe ich es bestellt und in einem Tag "verschlungen". Doch statt im 7. Himmel zu schweben, machten sich Entsetzen und Enttäuschung breit. So viele sachliche Fehler wie in diesem Buch finde ich normalerweise nur in den Klassenarbeiten meiner Schüler.
So wird bereits auf der ersten Seite als Geburtsstunde des W201 das Jahr 1978 (richtig ist 1976) angegeben, obwohl zwei Seiten weiter Bilder der ersten Entwürfe von 1977 zu sehen sind und es im Text heisst "sechs Jahre später" rollten die ersten Modelle in die Autohäuser. Doch damit nicht genug:
S.32: Die Abmessungstabellen des W201 für die 1. Baureihe (ab 1982) und 2. Baureihe (ab 1989) wurden verwechselt. Der Wagen wurde im Laufe der Baureihe nicht kürzer, sondern durch die modifizierten Stoßfänger vorne/hinten länger bzw. durch die Seitenverkleidung ("Sacco-Bretter") breiter. Die Tabelle suggeriert das Gegenteil.
S.34: Das Bild in der Mitte zeigt die Dämm-Materialien nur für den Dieselmotor und nicht für die anderen Modelle.
S.39: Das Bild unten zeigt keinen W201, sondern einen W124 - zu erkennen an den größeren Rückleuchten sowie an den fehlenden Entlüftungsschlitzen in der C-Säule.
S.56: Das Bild zeigte einen Vergaser 190er der ersten Baureihe (bis 1985) von vorne mit geöffneter Motorhaube. Zu sehen ist der für die Benziner typisch schmale Kühler und die beiden seitlichen Plastikabdeckungen ("Windleitbleche"). Das Bild soll als Beispiel dienen für die umfangreichen Dämmungsvorkehrungen für die Dieselmodelle ("Flüsterdiesel")
S. 84: Das Bild zeigt keinen W201 1.8l, denn dieser wurde nicht mit den Aluminiumfelgen genannt "Gullideckeln" in Serie ausgeliefert - sie waren nur als Option erhältlich. Außerdem war die Serienbereifung nicht 205/55 R15, wie in der Tabelle angegeben, sondern 185/65 R 15. Der 1.8l war die Basisversion der Baureihe und hatte logischerweise die kleinstmögliche Bereifung
S.96 oben: Dieser Bild zeigt einen Mechaniker bei einer Kompressionsprüfung (siehe das Gerät, das er in Händen hält) und keinenfalls bei einem Zündkerzenwechsel.
S. 129: Bei den Mercedes-Clubs muss der Club richtig heißen: "Mercedes 190er-Freunde" und nicht "Mercedes 190er E-Freunde"
Was mich wundert ist, dass, soviel ich weiss, keiner der im Anhang zitierten Clubs und Personen konsultiert bzw. kontaktiert wurde. Dann hätte man diese Fehler ohne Problem ausmerzen können. Schade, dass der geballte Sachverstand hier gar nicht genutzt wurde.
Abgesehen davon passen viele Bilder nicht zum Text oder haben wenig Aussagekraft (es wird irgendein 190er Modell gezeigt); es gibt Wiederholungen (zweimal habe ich etwas über die Raumlenkerachse lesen müssen) und es gibt nur eine fragmentarische Übersicht über die einzelnen Modellvarianten, die wenig aussagekräftig ist und nur im Ansatz die Unterschiede in der Ausstattung thematisiert. Einzig die Kaufberatung kann überzeugen.
Fazit: Das Buch ist keinesfalls der große Wurf, die vielen Fehler ärgerlich - lesenswert ist es trotzdem (mit den gemachten Einschränkungen.
Herzliche Grüße
kibac89